„Im Amt gibt es keinen Welpenschutz“
Christian Köck (46) ist seit 2014 Bürgermeister der Gemeinde Rottach-Egern am Tegernsee. Im Interview erzählt er offen von den größten Herausforderungen in der Anfangsphase seiner ersten Amtszeit. Er berichtet über seine nicht immer angenehmen Erfahrungen mit der Presse und verrät, welche Kommunikationsfähigkeiten jeder Bürgermeister haben sollte.
Herr Köck, Sie sind jetzt vier Jahre im Amt. Wie haben Sie die Anfangszeit empfunden?
Köck (lacht): Die Herausforderungen waren wirklich groß. Machen wir uns nichts vor: Das Amt des Bürgermeisters ist wie ein neuer Beruf. Den muss man lernen und man muss hineinwachsen. Das ist ein Prozess, der dauert – mehr als ein paar Wochen. Ganz am Anfang war der Übergang nicht einfach. Ich musste meinen Betrieb abwickeln und gleichzeitig mit Vollgas in das neue Amt einsteigen. Von 0 auf 100. Ohne Sicherheitsgurt, denn im Amt gibt es keinen Welpenschutz. Die Bürger erwarten ja zu Recht, dass es läuft. Ich hatte aber das Glück, dass mein Vorgänger Franz Hafner mich mit seiner Erfahrung voll unterstützt hat, wofür ich ihm heute noch sehr dankbar bin. Ich kenne leider andere Fälle, wo dem Nachfolger einfach der Schlüssel auf den Tisch gelegt wurde.
Was hätten Sie sich im Nachhinein an zusätzlicher Unterstützung gewünscht?
Ich glaube, das Wesentliche wäre, die Kandidaten darauf vorzubereiten, den Wahlkampf, aber auch die erste Zeit als Bürgermeister medial zu überstehen. Es ist nicht einfach, hier seiner Linie treu zu sein. Denn die Presseberichte können einen schon sehr verunsichern, gerade wenn man neu ist und wenig Erfahrung hat. Am härtesten war die Zeit vor der Stichwahl. Ich hatte den Eindruck, dass die Medien hier schon auch versucht haben, etwas aus dem Hut zu zaubern, um unter den Kandidaten zu polarisieren. Da gab es Spekulationen über Vertreter, Rechenspiele über Mehrheitsverhältnisse und über Plätze im Gemeinderat. Das hat Zeit und Substanz gekostet, weil es auch die Leute verunsichert hat.
Besonders in Erinnerung ist mir auch die Podiumsdiskussion geblieben, in der alle drei Kandidaten befragt wurden. Mich hat der Redakteur aufgrund meiner Parteizugehörigkeit ausschließlich zur Causa Kreidl (Anm. ehemaliger Landrat des Landkreises Miesbach) befragt hat – und nicht zu meiner Person oder zu den Dingen, die ich in meiner Amtszeit umsetzen möchte. Diese – sagen wir mal – Sippenhaft, in die ich hier genommen wurde, empfand ich als nicht fair.
Wie haben Sie reagiert?
Ich habe mich nicht aus der Reserve locken lassen. Ich bin ruhig geblieben und glücklicherweise auch nicht nervös geworden. Ich habe mich abgegrenzt, gesagt, dass ich nicht involviert bin und dass das jetzt auch nichts mit meiner Kandidatur zu tun hat. Ich hatte den Eindruck, dass ich damit schon punkten konnte.
Ist ruhig bleiben Ihr persönliches Patentrezept?
Ich versuche es. Manchmal geht mir natürlich auch die Hutschnur hoch. Mitunter braucht es eben deutliche Worte. Ich glaube, es ist weniger das Ruhigbleiben. Es kommt darauf an, bei sich zu bleiben, sich selbst jederzeit treu zu sein. Authentisch sein ist mein persönliches Motto. Ich habe mich auch im Wahlkampf nicht durch Äußerungen oder Aktionen der Mitbewerber aus der Bahn werfen lassen. Was hat man auch davon, wenn man in der Bürgermeister-Rolle ein völlig anderer Mensch ist, weil man denkt, man muss irgendwelchen Erwartungen entsprechen? Ich will nicht im Hinterkopf haben, das kann ich jetzt nicht machen, weil ich dann nicht oder nicht mehr gewählt werde. Das bringt einen persönlich bald an die Grenze – und die Leute durchschauen es sowieso ganz schnell.
Wie gestalten Sie den Umgang mit den Medien?
Am Anfang war es nicht leicht. Ich hatte das Gefühl, man hätte sich auf mich eingeschossen. Ich war „der knallharte Köck“ – ein Bild, mit dem ich mich gar nicht identifizieren konnte. Auch meine Freunde und Bekannten, mit denen ich sicherheitshalber darüber gesprochen habe, um abzuklären, ob mein Selbstbild noch passt, konnten das nicht verstehen. Also habe ich nachgeforscht, woran es liegen könnte, dass Redakteure und Redakteurinnen Sätze aus dem Zusammenhang gerissen haben, dass sie Nebensätze, die für den Sinn entscheidend sind, einfach weggelassen haben. Ich bin damals zu zwei Ergebnissen gekommen: Erstens: Die Medienvertreter kennen mich noch nicht gut genug. Zweitens: Ich darf nicht länger Absichten unterstellen, die es gar nicht gibt.
Haben Sie auch Kontakt zu den Medien aufgenommen?
Danach habe ich Gespräche mit Medienvertretern geführt, aber auch mit Bloggern. Ich habe gesagt: Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ich will hier nicht die Pressefreiheit abschaffen. Aber es ist schon ein Unterschied, ob Sie einen Kommentar oder eine Glosse schreiben oder objektiv berichten.
Wir haben unsere Sichtweisen, Wünsche und Erwartungen ausgetauscht und – bis auf wenige Ausnahmen – einen vernünftigen und respektvollen Umgang miteinander gefunden. Weil ich sie von meiner Ernsthaftigkeit überzeugen konnte. Und weil wir uns jetzt einfach besser kennen. Ich denke, das ist elementar.
Außerdem habe ich gelernt: Es ist nicht alles absichtlich gegen mich gerichtet. Oft ist es einfach so, dass ein Satz bei mir etwas auslöst, was bei jemand anderem gar nicht so ist. Außerdem ist es gerade bei unschönen Kürzungen so, dass der Text vielleicht einfach nur zu lang war und der Redakteur deswegen den für ihn unwichtigen Nebensatz weggekürzt hat. Das ist alles.
Gibt es dennoch Punkte, die unkalkulierbar bleiben?
Ja, natürlich. Gerade im Online-Bereich gibt es bei dem ein oder anderen Nachrichtenportal unausgebildete Leute, die das Handwerk nicht beherrschen. Ihnen ist oft gar nicht bewusst, was sie damit anrichten können. Unkontrollierbar sind natürlich auch die sozialen Medien. Hier muss man sehr wachsam sein. Das Problem mit Posts ist die Anonymität. Du kannst nicht antworten, nicht regieren. Ich bin konsequent. Wenn jemand seine Meinung mit vollem Namen kundtut, suche ich den Kontakt. Denn man kann und sollte über alles reden. Ansonsten wandern Posts oder auch anonyme Briefe konsequent in Ablage P.
Was sind aus Ihrer Sicht die entscheidenden Punkte, um eine Wahl zu gewinnen?
Nur wer sich bis zum Schluss selbst treu bleibt, wird das Ding gewinnen. Ein Kandidat braucht außerdem eine hohe soziale Kompetenz, eine ausgeprägte Menschlichkeit. Er muss sich regelrecht in die Menschen hineinspüren können. Ganz wichtig ist auch Demut. Ich begreife es als Ehre, dass ich meine Gemeinde aktiv mitgestalten darf. Davon abgesehen habe ich großen Respekt vor jedem Kandidaten, der bereit ist, sich dieser Verantwortung zu stellen. Das ist nicht selbstverständlich. Ein Bürgermeister sollte auch einen gewissen Unterhaltungsfaktor haben. Für den Job braucht man definitiv den Hang zum Entertainment. Das Wichtigste aber ist: Rückhalt in der Familie und im Freundeskreis. Sie alle sind wichtige Seismographen für das, was man täglich tut – Gutes und weniger Gutes. Man braucht unverblümtes Feedback ohne taktische Hintergedanken.
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